1993

Auf der Suche nach dem gemeinsamen Grund.
Psychoanalyse und Demokratische Psychiatrie im Austausch.

herausgegeben von Hans Red

Vorwort zu den drei Bänden und Inhaltsverzeichnis

Aus Auf der Suche nach dem gemeinsamen Grund. Psychoanalyse und Demokratische Psychiatrie im Austausch (1993), Band I, S. v–vii.

 Inhaltsverzeichnis

Dieses Buch dokumentiert den Dialog zwischen Mitarbeiterinnen und Mitar­bei­tern des Instituts für Psychoanalyse Zürich-Kreuzlingen und Vertreterin­nen und Vertretern der Demokratischen Psychiatrie in Italien. Es besteht aus einer chronologisch geordneten Sammlung von Referaten, Diskussions­proto­kollen, Tagungsberichten, Aufsätzen, Stellungnahmen und Aufzeichnungen von Seminaren aus den Jahren 1970 bis 1992.

Sie sind in zwanzig Kapiteln gegliedert: Die einzelnen Kapiteln sind mit der Ab­sicht zusam­mengestellt, den dialogischen Charakter in Austausch und Widerstreit zu erhalten. So werden Referate mit den Protokollen ihrer Dis­kus­si­on gebracht, Aufzeichnungen von Workshops und Seminaren doku­men­tieren die Art und Weise, wie die Beiträge direkt und mehr oder weniger auf­ein­an­der bezogen Aspekte der zur Diskussion stehenden the­rapeutischen Arbeit mit den Patienten betreffen. Wo die Kapitel einzelne Stellungnah­men aufweisen, erhalten diese ihre Bedeutung als Elemente des Dialogs durch den Ort und die Zeit, als sie gehalten wurden, oder durch den Veröffentlichungs­kon­text.

Den einzelnen Kapiteln ist eine kleine, erläuternde Einleitung des Herausgebers beigegeben; sie ist durch Kursivdruck vom übrigen Text abgesetzt. Ihr ist jeweils ein Motto, das zum Teil aus den folgenden Texten entnommen ist, zum Teil aus anderen Quellen stammt, vorangestellt

Die Kapitel sind in drei Bände aufgeteilt. Die sechs Kapitel des ersten Ban­des schliessen mit Mai 1978. Aus der Sicht der italieni­schen Demokra­ti­schen Psychiatrie kann dieser Zeitraum durch den Übergang von einem anti­-in­sti­tutionellen Ansatz zur Demokratischen Psychiatrie und zur Psychia­trie-Re­form charakterisiert werden.

Für das Institut für Psychoanalyse sind es die Jahre, in denen Norman Elrod den «Grossen Kreis» anregte und organisierte, in dem sich die für ei­ne um­fas­sende Demokratisierung engagierten Mitglieder mit Problemen aus der Ar­beit in psychiatrischen Institutionen und ähnlichen Einrichtungen ausein­an­der­setzen konnten. Elrod baute in dieser Zeit einen engeren Arbeitskreis von Mitarbeitern, Schülern und in­teressierten Laien auf, aus dem als psycho­ana­lytisches Lehr- und Ausbildungsinstitut 1979 das Institut für analy­tische Psychotherapie hervorging (seit 1990 Institut für Psy­choanalyse).

Der zweite Band besteht aus fünf Kapiteln, die sich auf Dokumente aus der Zeit­spanne zwi­schen 1978 und 1985 stützen. In Italien sind dies die ersten Jahre der Verwirklichung der Psychiatrie-Reform: Das Ge­setz trat im ganzen Land in Kraft, und es scheint, dass selbst Vertreter der Demokratischen Psychiatrie überrascht waren, zum einen von den sich eröff­nen­den Möglichkeiten, zum anderen aber auch von den Widerständen gegen die Reform, die in Kreisen der Bevölkerung, der in der Psychiatrie Täti­gen und der politi­schen Kräfte zum Vorschein kamen. Der Tod von Franco Ba­sag­lia 1980, der die Demokrati­sche Psychiatrie mitbe­gründet und massgeb­lich entwickelt hatte, bedeutete für die Bewegung einen grossen Verlust.

In Zürich und Kreuzlingen erarbeiteten und praktizierten in diesen Jahren El­rod und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre eigene Prägung der Psy­cho­analyse, die Psychoana­lyse im Rahmen der Demokratischen Psychiatrie.

Der dritte Band enthält neun Kapiteln aus der Zeit von 1986 bis 1992. Mit den Treffen von Vertretern der psychiatrischen Dienste von Venedig und Mitglie­dern des Instituts in Kreuzlingen 1986, Venedig 1988 und Kreuzlin­gen 1990, bei denen The­rapien von einzelnen Patienten vorgestellt und dis­kutiert wur­den, nahm der Dialog eine neue, intensivere Qualität an. Aspekte und An­sätze der erarbeiteten und prak­tizierten Theorie der Persön­lichkeit, der Therapie und der Gesellschaft regten an, das Problembewusstsein weiter­zu­ent­wickeln und zu schärfen.

Es stellt einen weiteren Aspekt der Bemühung um Austausch dar, dass Ago­sti­no Pirella und Paolo Tranchina, die Herausgeber der Zeitschrift Fogli di in­for­mazione, das Organ der Demokratischen Psychiatrie Italiens, im er­sten Heft von 1972 programmatisch den Aufsatz «Eine Orientierung über meine psy­cho­the­ra­peu­tische Praxis» von Elrod publizierten, den Verfasser zur Diskus­sion nach Mailand einluden und das Protokoll der Diskussion im zweiten Heft veröffentlich­ten. Dar­über hinaus sind im Laufe dieser zwanzig Jahre etwa siebzig Beiträ­ge von Mitgliedern des Instituts für Psychoanalyse in den Fogli erschienen.

In der Festschrift von 1992, Venti anni di Fogli di Informazione, erschien Kapitel XVIII des Vorliegenden Buches, Elrods Kommentar zur Korrespondenz zwischen Freud und Binswanger, und eine Vorschau auf seinen Inhalt. Auf der Jubiläumstagung im Dezember 1992 in Livorno hielt Elrod einen der Hauptvorträge, der hier in Kapitel XX zu finden ist.

Ich möchte Harald Schnur für seine engagierte Mitarbeit bei der Redaktion herzlich danken, er hat zur Veröffentlichung der drei Bände entschieden beigetragen. Zu verschiedenen Zeiten und in verschiedener Weise konnte ich auf die freundliche Hilfe von Mitgliedern des Instituts für Psychoanalyse Zürich-Kreuzlingen rechnen – vielen Dank dafür!

Kreuzlingen, im Februar 1993

Hans Red

 


Band I

Wir bemühen uns heute – wenn nicht immer erfolgreicher, so doch in der Regel offener – Haltungen zu überwinden, die dazu tendieren zu unterdrücken und unterdrückt zu werden; wir bemühen uns, Anstrengungen anzuerkennen, den gemeinsamen Grund zu finden. Diese Bemühungen, weder neu noch einheitlich, scheinen jetzt doch kritischer, vielversprechender einerseits, gefährlicher andererseits. Ich vermute (wenn ich das noch nicht Bekannte abschätze), dass die drückendsten Bedürfnisse und die günstigsten Gelegenheiten, unsere neuen Aufgaben also, in dem dringlichen Appell an unsere Suche nach umfassender Gegenseitigkeit liegen.

Robert Gardner, Self Inquiry, Boston/Toronto: Little, Brown and Company, 1983, S. 9–10.

I.
1970
Agostino Pirella und andere
Bericht der Gruppe der Psychiatrischen Klinik Gorizia
Diskussion

II.
1972
Norman Elrod
» Eine Orientierung über meine psychotherapeutische Praxis
» Diskussion

III.
1972/1973
Domenico Casagrande
Rücktrittserklärung
Grosser Kreis
Brief des Grossen Kreises
Agostino Pirella
Antwort auf den Brief des grossen Kreises

IV.
1973/1974
Franco Basaglia und andere
Demokratische Psychiatrie. Diskussionsgrundlage
Grosser Kreis
Kommentar zur Diskussionsgrundlage der Demokratischen Psychiatrie

V.
1975
Vieri Marzi, Agostino Pirella und Paolo Tranchina
Aspekte der Demokratischen Psychiatrie in Italien

VI.
1978
Paolo Tranchina
Das neue Psychiatriegesetz in Italien

 

Band II

Die Psychoanalyse … will der Psychiatrie die vermisste psychologische Grundlage geben, sie hofft, den gemeinsamen Boden aufzudecken, von dem aus das Zusammentreffen körperlicher mit seelischer Störung verständlich wird.

Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse [1917], Gesammelte Werke, Band XI. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1978, S.14.

 

VII.
1978
Norman Elrod
Zur Psychotherapie der Schizophrenie. Kongressbericht

VIII.
1980
Ursula Etter
Freiheit heilt. Die neue Linie in der italienischen Psychiatrie

IX.
1981
Norman Elrod und andere
Therapie-Werkstatt zur Therapie und Theorie des Narzissmus und der Borderline-Störungen.

X.
1981
Norman Elrod
» Die Psychotherapie der Schizophrenie auf dem Hintergrund der philosophischen Anthropologie und Erkenntnistheorie
Paolo Serra und Paolo Tranchina
Warten auf Godot hilft keinem. Zur Verstärkung der Gemeindearbeit und der mehrseitigen Beteiligung durch die neue italienische Psychiatriegesetzgebung
Norman Elrod
Diskussionsbeitrag

XI.
1985
Einführung
Agostino Pirella
Zur Entstehungsgeschichte der Psychotherapie der Psychosen. Notizen zu einer Diskussion
Hans Red, Norman Elrod, Dagmar Kötscher, Hartmut Rostek
Standortbestimmung der Psychoanalyse in Beziehung zur Sozialpsychiatrie
Diskussion
Jürgen Armbruster und Klaus Obert
Ambulant-psychiatrische Erfahrunge im Raum Stuttgart
Sergio Piro
Der konnexionelle Horizont, der auf die Alternativen in den spezifischen Bereichen folgt
Giovanni De Plato
Paradigma der Psychotherapie im Psychiatrischen Dienst
Diskussion
Roberto Schöllberger
Überlegungen zur Mittelpunktverschiebung in der Psychotherapie
Maria Pia Teodori
Territoriale Strukturen und alternative Dienste
Diskussion

 

Band III

Norman Elrod: Hat nicht Frieda Fromm-Reichmann uns drei Stichwörter gegeben, an die wir alle uns halten können? Das erste heisst Zuhören, das Aufnehmen dessen, was die Patientin oder der Patient uns vermittelt. Das zweite heisst Aufmerksam sein, uns für die Belange der Patientinnen und Patienten interessieren, nicht nur weil der Beruf das von uns fordert, sondern weil wir uns in einer Schicksalsgemeinschaft mit den psychisch Gestörten erleben und merken, dass das, was die Patientin oder der Patient uns sagt, auch uns angeht, Berufliches und Privates sind weitgehend verwoben. Und das dritte Stichwort lautet Antwort geben, von Herzen sprechen, möglichst adäquat kommunizieren, auch deuten, ja, aber zutiefst antworten (S. 513)

 

XII.
1986
Erstes Treffen Zürich-Kreuzlingen–Venedig
Der Schmetterling des Todes, die Maske des Mondes
Geschichte von Fabio

XIII.
1988
Zweites Treffen Zürich-Kreuzlingen–Venedig
Die Bedeutung der Arbeit in der Psychotherapie der Schizophrenie

XIV.
1988
Workshop
Die Bedeutung der Arbeit in der Psychotherapie der Schizophrenie

XV.
1989
Hans Red
Beitrag zum Podiumsgespräch «Die psychiatrische Betreuung und das Gesetz 180 in der europäischen wissenschaftlichen und kulturellen Debatte»

XVI.
1989
Norman Elrod
Subjektivität, Subjekt, Selbst und Objekt

XVII.
1990
Drittes Treffen Zürich-Kreuzlingen–Venedig
Das Tun in der Psychotherapie der Psychosen. Nähe und Distanz

XVIII.
1992
Norman Elrod
«
Für die Freundschaft von zweien ist die Geduld von einem nötig». Ein Kommentar zur Korrespondenz zwischen Sigmund Freud und Ludwig Binswanger

XIX.
1992
Hans Red
Diskussionsbeitrag zu «Stationäre Alternativen»
Daniel Hell und Hans Red
Reformbestrebungen innerhalb psychiatrischer Kliniken: Arbeitsgruppe zu stationären Zukunftsperspektiven

XX.
1992
Norman Elrod
» Demokratische Psychiatrie. Psychoanalytische Psychotherapie der Schizophrenie und Säuglingspsychiatrie. Über die Notwendigkeit eines fruchtbaren Austauschs
Sandra Rogialli und Maria Pia Teodori
Die Rechte der Kinder zwischen Utopie und Negation
Paolo Tranchina
Zwanzig Jahre Fogli di informazione zwischen Bewegung und Wissensbildung