1989

Sigmund Freud und die Französische Revolution

von Norman Elrod



[vergriffen]

Verheissung und Risiko der Aufklärung – Sigmund Freuds Verteidigung der Freiheit.

Aus Sigmund Freud und die Französische Revolution (1989), Klappentext.

Diese Schrift ist die erweiterte Fassung eines am 11. Juli 1989 in Leipzig von Norman Elrod gehaltenen Vortrags im Rahmen der Tagung «Geschichte und Gegenwartsprobleme der Psychotherapie – zur Stellung Sigmund Freuds und der Psychoanalyse».

 

Verheissung und Risiko der Aufklärung

I
Entwicklung ohne Befreiung, Befreiung ohne Entwicklung

II
Zur Bestimmung der Psychoanalyse als Praxis der Entwicklung und Befreiung

Sigmund Freuds Verteidigung der Freiheit

Psychoanalyse in der Deutschen Demokratischen Republik anscheinend im kommen – aber Welche? Eine Art Modeschau in Leipzig

 

Die französischen Revolutionäre, ja, das waren in den Worten Sigmund Freuds «gewaltige Individualitäten», die sich daran machten, Europa aus den Fesseln der feudalen, absolutistischen Herrschaft zu befreien. Für Freud schlug damals «das Herz der Menschheit» mit, als diese Aufständischen, ihrer eigenen Häupter nicht sicher, den Versuch wagten, das Recht des Menschen auf Leben und auf nationale Selbstbestimmung zu verwirklichen. Dass «Tausende von Menschen aus Überzeugung in den Tod» geschickt wurden, wusste Freud sehr wohl. Und doch hielt er sich an die gedankliche Basis der Französischen Revolution – an das Primat der Vernunft. Die Art der Vernunft, die Freud meinte, war allerdings eine Geistigkeit, die in keinem unversöhnlichen Widerspruch zu Gefühl und Natur steht und die viel Platz für unbeantwortete Fragen offenlässt.

«Leider werden … [aber] herrliche Weissagungen von der Wahrheit und dem gesunden Menschenverstand [tagtäglich] widerlegt; in der Natur der Dinge liegt es, dass die Vernunft auf ihrem Vormarsch nur langsam Boden gewinnt.» Das hört sich an wie Freud in Die Zukunft einer Illusion, ist aber ein Auszug aus der zweiten Rede gegen den Krieg, die Robespierre am 2. Januar 1792 im Jakobinerklub hielt (es folgten noch zwei weitere wichtige). Der «Unbestechliche» fand jedoch ungenügend Gehör, und Frankreich erklärte am 20. April 1792 Österreich den Krieg. Später musste sich Robespierre wie andere, die den Ausbruch des Krieges entschieden abgelehnt hatten, voll dafür einsetzen, den Krieg zu gewinnen – eine paradoxe Wendung im Leben dieses Mannes, dessen Liebe zur Gerechtigkeit, zur Menschlichkeit, zur Freiheit alle anderen Leidenschaften beherrschte.

Auch Lenin hoffte auf den Sieg der Freiheit – und der Gleichheit! Ihm schien es klar, dass dieses Ziel nicht gewaltlos zu erreichen sei, aber, wie er in einer Rede von November 1917 sagte: «Einen Terror, wie ihn die französischen Revolutionäre anwandten, die waffenlose Menschen guillotinierten, wenden wir nicht an und werden wir, wie ich hoffe, nicht anwenden.»

Der Verlauf der Geschichte der Sowjetunion gibt, wie in der vorliegenden Schrift gezeigt wird, keinen Anlass zu behaupten, Lenins Wünsche und Hoffnungen seien in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil: Was die Freiheit und Gleichheit betrifft, stecken wir heute, weltweit gesehen, eher noch tiefer in einem Dilemma, das Robespierre wie folgt beschrieben und beurteilt hatte:

«… welches weitere Hindernis stellt sich der Aufklärung des Volkes entgegen?»
«Die Armut»
«Wann wird das Volk die Wahrheit verstehen?»
«Wenn es zu essen hat und wenn die Reichen und die Regierung aufgehört haben, korrupte Schreiberlinge und Wortführer zu unterstützen, die es in die Irre führen – wenn die Interessen der Reichen und der Regierung mit den Interessen des Volkes identisch sind.»
«Wann wird das sein?»
«NIEMALS.»